Was sind „Sacheinlieferungen“, oft auch „Sacheinlagen“ genannt, im Zusammenhang mit regulierten Investmentfonds und welche Fallstricke sind zu beachten?
Üblicherweise werden Investmentfonds durch traditionelle Kaufaufträge erworben. Hierbei erwirbt der Investor bei der Bank seines Vertrauens eine bestimmte Anzahl von Anteilen. Für diese Anteile bezahlt der Investor den anwendbaren Anteilspreis und erhält folglich im Rahmen eines Lieferung-gegen-Zahlung-(LGZ)-Geschäfts Fondsanteile im entsprechenden Gegenwert.
Eine Sacheinlieferung hingegen ist jede Art von Übertragung eines bereits bestehenden Vermögenswertes in einen bestehenden Investmentfonds. Es handelt sich also nicht um einen klassischen Kaufauftrag, der zwischen Banken abgewickelt wird, sondern um eine direkte Einbringung von Vermögenswerten. Hierbei sind mehrere Aspekte kumulativ zu beachten.
Einhaltung der Anlagerichtlinien
Jeder eingebrachte Vermögenswert muss mit den Anlagerichtlinien des Fonds übereinstimmen. So können beispielsweise keine physischen Goldbarren in einen Wertpapierfonds eingebracht werden (und umgekehrt keine Wertpapiere in einen Fonds, der in physisches Gold investieren soll), wenn dies gemäss den Anlagerichtlinien des Fonds nicht vorgesehen oder explizit ausgeschlossen ist.
Allerdings wäre es denkbar, dass nicht-kompatible Vermögenswerte rein zum Zwecke der sofortigen Veräusserung eingebracht werden, sodass der daraus resultierende Mittelfluss richtlinienkonform veranlagt werden kann. Hierbei ist sicherzustellen, dass ein möglicher Wertverlust zwischen Einbringung und Veräusserung von nicht-kompatiblen Vermögenswerten allein der einbringende Investor trägt.
Die Prüfung, ob die Einhaltung der Anlagerichtlinien durch die Sacheinlieferung gegeben ist, obliegt einerseits der Verwaltungsgesellschaft des Fonds und andererseits subsidiär der Verwahrstelle des Fonds bzw. dem Wirtschaftsprüfer. Es besteht kein rechtlicher Anspruch auf die Abrechnung von Sacheinlieferungen, auch wenn die konstituierenden Dokumente eines Fonds Sacheinlieferungen grundsätzlich zulassen sollten. Eine rein theoretische Zulässigkeit begründet noch keinen Anspruch auf einen positiven Entscheid der Verwaltungsgesellschaft, die angebotenen Vermögenswerte anstelle einer Geldzahlung entgegenzunehmen.
Eigentumsübertrag
Im ersten Schritt muss festgestellt werden, ob der Einbringer zweifelsfrei Eigentum an den einzubringenden Vermögenswerten besitzt. Im zweiten Schritt ist ein zweifelsfreier Übertrag des Eigentums notwendig.
Bei physischen und transportablen Gegenständen (z. B. Diamanten in einen Diamantenfonds) kann der Prozess durch physische Übergabe und nachfolgende Verwahrung erfolgen. Bei nicht-physischen und immobilen Vermögenswerten muss der Eigentumsübertrag jedoch anhand von zweifelsfreien Dokumenten erfolgen (z. B. Eintragung des Fonds in das Aktionärsverzeichnis eines Unternehmens und ggf. die Ausstellung einer Namenaktie).
Werthaltigkeit
Alle Vermögensgegenstände, die in einen Fonds eingebracht werden sollen, müssen von der Verwaltungsgesellschaft oder einem unabhängigen qualifizierten Dritten bewertet werden, um sicherzustellen, dass sie zu einem fairen Wert in den Fonds eingebracht werden. Schliesslich erwirbt der Einbringer aliquotes Eigentum an allen Vermögensgegenständen des Fonds, und der eingebrachte Gegenstand wird Teile eines bereits bestehenden Pools an Vermögenswerten.
Die Feststellung der Werthaltigkeit ist von der Verwahrstelle zumindest zu plausibilisieren, und der Wirtschaftsprüfer wird die Vorgangsweise spätestens bei der nächsten Revision prüfen. Üblicherweise werden jene Methoden angewandt, die auch auf laufender Basis zur Bewertung eines gleichartigen Vermögensgegenstandes innerhalb des Fonds verwendet werden.
Feststellung des Einbringers
Ein Investor, der einen Vermögensgegenstand als Sacheinlieferung einbringt, wird zum direkten Vertragspartner des Fonds. Dies unterscheidet sich von einem Investor, der eine Kauforder über eine Bank platziert. Durch die direkte Transaktion mit dem Fonds ist die Verwaltungsgesellschaft verpflichtet, den Einbringer gemäss den zum Einbringungs-zeitpunkt gültigen Vorschriften des Sorgfaltspflichtgesetzes (SPG) vollständig zu dokumentieren.
SPG-Klassifizierung des Fonds
Wenn eine Sacheinlieferung eine signifikante Größe im Vergleich zum gesamthaft bestehenden Fondsvolumen einnimmt, kann dies dazu führen, dass der Fonds als Privatvermögensstruktur klassifiziert wird. Hintergrund ist, dass Fonds, die von einzelnen Investoren wirtschaftlich dominiert werden, als Privatvermögensstrukturen gelten können. Diese Investoren müssen dann dauerhaft nach SPG dokumentiert werden.
Es besteht jedoch kein gesetzlicher Automatismus; die Verwaltungsgesellschaft muss alle relevanten Umstände bewerten und festlegen, ob der Fonds auf Basis der Sacheinlieferung als Privatvermögensstruktur anzusehen ist. Üblicherweise wird ein Fonds, der für eine Vielzahl von Investoren gegründet wurde und aktiv durch die Verwaltungsgesellschaft selbst oder Dritte vertrieben wird, nicht als Privatvermögensstruktur klassifiziert. Es ist auch nicht unüblich, dass Fonds zumindest in den ersten 1 bis 3 Jahren von einzelnen (Erst)Investoren, den so genannten Seed-Capital-Gebern wirtschaftlich dominiert werden können
Weiterführende Themen
Oft vergessene Themen betreffen beispielsweise die Konsequenzen der physischen Verbringung von Vermögenswerten über Landesgrenzen hinweg (Zoll/MWSt-Fragen, Deklarationen) sowie steuerliche Konsequenzen für den Einbringer (Realisierung eines Wertes durch Tausch gegen Fondsanteile). Auch sind andere Steuern und Abgaben, die bei der Übertragung von Vermögenswerten anfallen, zu beachten.
Zum Schutz der bestehenden Investoren eines Fonds ist sicherzustellen, dass dem Fonds nur jene Kosten belastet werden, die auch bei einem regulären Kauf entstehen würden. Weitere Kosten hat in der Regel der Einbringer zu tragen, es sei denn, diese werden in den konstituierenden Dokumenten des Fonds ausdrücklich anders geregelt und/oder der Fonds ein ausgeprägtes Interesse an der Entgegennahme eines bestimmten Vermögenswerts geltend macht und aus diesem Grund auch höhere Kostenbelastungen zulasten des Fonds angemessen und vertretbar sind.
Zusammenfassung
Sacheinlieferungen lösen komplexe Prozesse aus und erfordern die Einbindung zahlreicher beteiligter Parteien. Sie bieten jedoch auch Vorteile, da sie Verwaltungsgesellschaften und delegierten Vermögensverwaltern viel Flexibilität bieten und es Investoren ermöglichen, durch die Einbringung von Vermögenswerten ein fungibles Wertpapier zu erwerben und von den vielen Vorteilen des Fondsplatzes Liechtenstein zu profitieren.
Franz Glatzl
CEO ONE Funds
www.onefunds.li